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Hanna und ihr Parfum - Demenz erkennen und verstehen

Autorenbild: Tatjana NikolicTatjana Nikolic

Aktualisiert: 13. Dez. 2024




ältere Frau im Garten

Wie kann Alltagsunterstützung zu einer großen Hilfe bei Betroffenen und Angehörigen werden


Vor über einem Jahr habe ich Hanna kennen gelernt. Eine Dame, die mit ihren 82 Jahren auf ihr äußerliches Erscheinungsbild sehr geachtet hat und immer zurecht gemacht war. Der Gürtel musste zu den Schuhen passen und das Auftragen ihres Lieblingsparfums war so selbstverständlich wie das Atmen. Kein Wunder, schließlich war sie über Jahrzehnte in der Modebranche tätig und hat eng mit Karl Lagerfeld, Giorgio Armani & Co. gearbeitet. 

Zu Beginn habe ich Hanna drei Mal die Woche besucht und wir haben gemeinsam Spaziergänge unternommen. Bei Kaffee und Kuchen habe ich ganz gespannt ihren Geschichten von damals gelauscht. Ich war von ihren Erzählungen fasziniert und sie war fasziniert was man heute alles mit dem Handy machen kann und wie schnell man an Informationen kommt. Wir wurden zu einem tollen Team. 

Irgendwann fing Hanna an, mich unmittelbar nach unseren Treffen anzurufen und zu fragen,  welche Hose und welches Oberteil ich denn heute getragen hatte. Damit sie mich nicht jedes mal anrufen muss, schrieb sie sich einen Merkzettel, den sie an ihre Haustür klebte: OOTD (Outfit of the Day) Tatjana! Ich fand es sehr aufmerksam und nett, doch das waren die ersten Anzeichen ihrer Demenz. 

Wussten Sie schon, dass laut neuster Berechnungen in Deutschland ca. 2 Mio Menschen an Demenz erkrankt sind?

Am 21. September war der Welt-Alzheimertag. Aus diesem Grund möchte ich dieses wichtige Thema aufgreifen und über den Umgang mit Alzheimer- und Demenzerkrankten sprechen. 

Neben Hanna sind laut Schätzungen von Alzheimer ´s Disease International, weltweit über 47 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Es ist die häufigste Erkrankung im Alter. Besonders herausfordernd ist dabei nicht nur die Erkrankung selbst, sondern auch der schleichende Beginn. Erste Anzeichen von Demenz werden oft übersehen oder mit normalem Altersabbau verwechselt. Doch eine rechtzeitige Erkennung und professionelle Unterstützung können den Alltag der Betroffenen erheblich erleichtern. In diesem Beitrag gehe ich auf die ersten Anzeichen von Demenz ein und erkläre, warum Alltagsunterstützung in diesem Zusammenhang so wichtig ist.

1. Die ersten Anzeichen von Demenz: Ein schleichender Prozess

Wie bei Hanna beginnt es oft mit kleinen, scheinbar harmlosen Momenten: Ein vergessenes Gespräch, der verlegte Haustürschlüssel oder die Unsicherheit beim Einkaufen. Vielleicht haben Sie bemerkt, dass Ihre Mutter Termine verwechselt oder Ihr Vater die Namen der Enkel durcheinanderbringt. Anfangs denkt man, das gehöre zum Älterwerden. Doch wenn diese Situationen häufiger vorkommen und der Alltag zunehmend schwieriger wird, könnten dies die ersten Anzeichen von Demenz sein. Sie unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. 

Hier sind einige der häufigsten Frühwarnzeichen:

  • Vergesslichkeit: Dies ist eines der auffälligsten Symptome. Betroffene vergessen oft kürzlich Erlebtes, wichtige Termine oder Gespräche. Während es normal ist, gelegentlich etwas zu vergessen, fällt bei Demenzpatienten auf, dass sie sich auch nach Erinnerungen nicht mehr an das Vergessene erinnern können.

  • Probleme mit der Orientierung: Menschen mit beginnender Demenz verlieren oft die Orientierung, selbst an vertrauten Orten. Sie haben Schwierigkeiten, Wege zu finden, die sie jahrelang gegangen sind, und verwechseln Orte und Räume.

  • Schwierigkeiten mit alltäglichen Aufgaben: Demenz kann dazu führen, dass Routineaufgaben, wie das Zubereiten einer Mahlzeit oder das Bezahlen von Rechnungen, zunehmend schwierig werden. Betroffene verwechseln oft die Reihenfolge von Handlungsschritten oder vergessen entscheidende Details.

  • Sprachprobleme: Ein weiteres frühes Anzeichen ist der Verlust der Fähigkeit, sich klar auszudrücken. Betroffene haben Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, oder wiederholen sich häufig.

  • Veränderungen im Verhalten: Menschen mit Demenz können gereizter, ängstlicher oder sogar aggressiver werden. Sie neigen dazu, sich sozial zurückzuziehen, weil sie sich unsicher fühlen oder Angst haben, Fehler zu machen.

Diese ersten Anzeichen sollten ernst genommen werden, auch wenn sie oft als altersbedingte „normale“ Veränderungen abgetan werden. Eine frühzeitige Diagnose kann nicht nur den Betroffenen helfen, sondern auch den Angehörigen Klarheit verschaffen.

2. Warum kann Alltagsunterstützung bei Demenz so hilfreich sein?

Als bei Hanna die Anzeichen von Demenz immer offensichtlicher wurden und vom Neurologen dann offiziell diagnostiziert wurde, habe ich Hanna täglich besucht und in ihrem Alltag unterstützt. Es gab ihr und ihren Angehörigen mehr Sicherheit. Ich konnte dabei helfen klare Strukturen und Routine im Alltag zu schaffen. Ob es um die Bestellung von Essen auf Rädern, Arzttermine oder zu zahlende Rechnungen ging. Ich habe sie dabei unterstützt, dass alltägliche Aufgaben organisiert werden und der Tagesablauf strukturiert abläuft. Das hat Hanna und ihren Angehörigen dabei geholfen, den Alltag in den eigenen vier Wänden weiterhin individuell zu gestalten, ohne den Überblick zu verlieren. Mit der aufkommenden Demenz, zog sich Hanna immer mehr aus ihrem Sozialen Umfeld zurück. Ihr war es unangenehm alte Freunde zu treffen. Sie wollte nicht, dass ihr kognitiver Abbau bemerkt wird. Sie sagte häufig: „Ich möchte nicht, dass meine Freunde mich so sehen. Sie sollen mich so in Erinnerung behalten, wie ich früher einmal war.“ Auch wenn alle versuchten sie davon zu überzeugen,  dass ihre Erkrankung keine Auswirkung auf ihre Freundschaften haben wird und dass gerade jetzt soziale Kontakte wichtig sind, blieb Hanna stur bei ihrer Meinung und isolierte sich immer mehr. 

Der Kontakt zu mir und ihrer Familie blieb ihr aber wichtig und gab ihr die notwendige emotionale Stabilität. Durch die Gespräche, gemeinsamen Aktivitäten und das einfache Dasein, hatte sie das Gefühl, nicht alleine zu sein. 

Entlastung für Angehörige

Die Demenzerkrankung von Hanna traf auch ihre Angehörigen sehr. Im Laufe der Zeit veränderte sich schrittweise ihr Wesen. Hanna wurde fordernder und sturer. Alles musste immer sofort passieren. Sie hat Lust auf Pflaumensaft - Er sollte sofort besorgt werden! Die Hose der Arzthelferin gefällt ihr - auch wenn ihr Schrank überquillt, die Hose musste sofort im Internet gefunden und bestellt werden. Auf Spaziergänge und Bewegung hatte sie immer weniger Lust. Es wurde immer schwieriger sie zu motivieren in Bewegung zu bleiben und an die frische Luft zu kommen. Teilweise wurde Hanna uns allen gegenüber recht ausfallend und beleidigend. Vor allem war diese Phase für die Angehörigen emotional sehr belastend. Demenz betrifft nicht nur die Erkrankten selbst, sondern auch ihre Familien. Die Betreuung eines demenzkranken Angehörigen kann körperlich und emotional äußerst belastend sein. Professionelle Alltagsbetreuung entlastet die Angehörigen, indem sie ihnen die Gewissheit und Sicherheit gibt, dass ihr geliebter Mensch in guten Händen ist. Durch die regelmäßige Unterstützung im Alltag, kann auch Hanna weiterhin selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Als ihre Alltagsbegleiterin helfe ich ihr dabei ihren Alltag zu organisieren. Ich vereinbare für sie Arzttermin, achte darauf, dass die Rechnungen bezahlt werden oder begleite sie zu ihrem Friseurbesuch. Mit ihrer Familie bin ich immer in sehr engem Austausch. So können sie sich bei ihren Besuchen am Wochenende auf Hanna konzentrieren und gemeinsam, qualitativ hochwertige Zeit mit ihr verbringen ohne zusätzlich die Organisation von Aufgaben für Hanna zu übernehmen. 

Fazit: Rechtzeitige Unterstützung für ein würdevolles Leben

Demenz ist eine herausfordernde Erkrankung, doch mit der richtigen Unterstützung kann das Leben der Betroffenen deutlich verbessert werden. Die ersten Anzeichen von Demenz sollten nicht ignoriert werden, und es ist ratsam, frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine strukturierte Alltagsbegleitung bietet Sicherheit, Unterstützung und emotionale Stabilität – sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Familien.

Die Inanspruchnahme von Alltagsbetreuung bedeutet nicht das Aufgeben von Unabhängigkeit, sondern vielmehr eine Bereicherung des täglichen Lebens. Durch gezielte Unterstützung können Menschen mit Demenz weiterhin ein würdiges und erfülltes Leben führen.

Hannas Vergesslichkeit hat in den letzten Monaten zugenommen. Auch fällt das Auftragen ihres geliebten Parfums darunter. Doch es ist unbeschreiblich, wie groß ihre Freude ist, wenn ich das Flacon aus dem Badezimmer hole und ihr einen Spritzer auf ihr Haar gebe. Dieses Lächeln ist das gleiche wie zu Beginn unseres Kennenlernen. 

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2 Kommentare


Betty Boo
Betty Boo
08. Okt. 2024

Ich danke Frau Nikolic für diesen wunderbaren Einblick in ihre tägliche Arbeit. Ich habe sie selbst erleben dürfen und kann nur bestätigen, welch eine Unterstützung sie für die Familien ist und welches Licht und Freude sie in den Alltag der Senioren bringt. Curamus ist sehr zu empfehlen!

B. Zabel

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Tatjana Nikolic
Tatjana Nikolic
08. Okt. 2024
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Vielen Dank für Ihren Beitrag und die wertschätzenden Worte!

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